3 Wochen Ghana



Der folgende Reisebericht aus Ghana wurde freundlicherweise von Gertrud Heck-Funke zur Verfügung gestellt.
 
Von einer Reise nach Afrika hatte ich schon lange geträumt und nach einem für mich geeignetem Reiseziel gesucht und schließlich auch gefunden.
Im August 2002 war ich drei Wochen in Ghana, dort in der nähe von ACCRA im Kasapa-Center (ganz Neugierige können nachgucken unter: www.forum-anders-reisen.de/kasapa )

Die KLM katupultierte mich in 6 ½ stunden von Europa nach Afrika, genauer von Amsterdam nach Accra. Dort kam ich zwischen den Essenscontainern aus dem Flugzeug raus, mehrere Männer bauten im Schein einer Taschenlampe – es war ansonsten stockfinster -  in windeseile meinen Rollstuhl zusammen,  einer von ihnen schob mich an allen Schlangen vorbei zum schalter für die VIPs.  Nach einigen Stempeln war ich in der Halle, wo ich KOFI treffen sollte. Meine Sorge war, ihn unter all den schwarzen Männern wiederzuerkennen. Doch das war kein Problem. Mein Gepäck war auch da. Kofi leitete mich durch ein unüberschaubares Menschengetümmel nach draußen und setzte mich in ein Taxi, das mich zum Kasapa-Center bringen sollte

Es fällt mir immer noch schwer, meine ersten Eindrücke zu schildern. Ich war so überwältigt von diesen Bildern: es war finster.  Straßenbeleuchtung gab  es kaum. Überall tauchten aus dem Dunkel Menschen auf, die zu Fuss unterwegs waren.
Am Straßenrand waren endlos viele kleine Verkaufsstände, die von Petroliumlämpchen erleuchtet waren.
An den Kreuzungen stürzten sich Scharen von Straßenverkäufern auf die wartenden Autos, behinderte Bettler waren auch dabei.
Die Autos kamen nur langsam von einer Ampel zur nächsten - es waren unsere ausrangierten Ppel Kadetts, Mazdas......, die ziemlich viel Abgase in die Luft bliesen.
die Straßen hatten tiefe Löcher, die der Fahrer in gefährlich großen Bogen umfuhr.
Und überall Menschen, Menschen, Menschen, schon mal Ziegen dazwischen oder Schafe mit langen Ohren.
Nach zwei Stunden hatten wir die 40 km bis zum Kasapa-Center geschafft.
Ich traf dort die anderen Deutschen, mit denen ich drei Wochen zusammen sein würde, ich aß was – spagatti bolognese -, Susanne zeigte mir mein Klo, dann mein Zimmer. Hier lernte ich endlich meine Assistentinnen kennen, die schon im Nachthemd waren und bereits ein Nickerchen gemacht hatten.
Sie halfen mir, und als ich im Bett war, sprach DINA ein Dankgebet.

Kasapa liegt am Meer,  baden kann man allerdings nicht, weil Steilküste.
Im Hintergrund ist immer Meeresrauschen zu hören - zuerst dachte ich, es sei die Autobahn -  und es geht immer ein leichter Wind, also sehr angenehmes Klima, nichts von Hitze.
An den angebotenen Trommel- und Tanzkursen habe ich nicht teilgenommen, aber an einigen Ausflügen wie zur Sklavenburg ELMINA und in das Dorf LIATI WOTE, wo wir 4 Tage lang waren.

Das Kasapa-Center wird geführt von Susanne, einer Deutschen, die seit 20 jahren in Ghana lebt und KOFI, ihrem ghanaischen Ehemann.

Mit Susanne hatte ich viel email-kontakt vor der Reise, da wir verschiedene Probleme zu lösen hatten: vor allem die Assistenz und die Toiletten.
Susanne und Kofi haben sich völlig drauf eingelassen, den Aufenthalt in Kasapa und die Ausflüge für mich zu ermöglichen.
Und weil die vorhandenen klos für mich nichts waren, wurde ein barrierefreies gebaut – ein Plumsklo mit Wänden aus Palmblättern.
Ansonsten war alles ebenerdig,  kleine Stufen hatte der Schreiner bereits durch Rampen ausgeglichen, und in der Dusche mit Erdeinlauf benutzte ich meinen mitgebrachten Reiseduschstuhl. Den hatte ich bei www.rollicompany.de entdeckt, ebenso eine Pinkelflasche für Frauen, die ich nachts benutzte.

Susanne hatte  für mich eine afrikanische Assistentin engagiert: DEDE - die dann noch ihre Schwester DINA mitbrachte, weil sie selbst kein Englisch konnte.

Meine Assistentinnen hatten keine Erfahrung mit dieser Arbeit, aber viel guten Willen, eine enorme Kraft und eine große Unbefangenheit - auch im Körperkontakt, den ich bei ihnen besser ertragen konnte als bei mancher deutschen Krankenschwester.
Ich konnte mich auf sie verlassen, musste aber immer mitdenken und mich bemühen, meinen Willen verständlich zu machen.
Ich komme aus einer anderen Welt - eben der ungeheuer materiell reichen Ersten -  doch DINA und DEDE haben mir viel von ihrem Reichtum gegeben: Fröhlichkeit, Wärme, Lebenslust.
Sie nannten mich Auntie Gerti, weil man eine ältere Frau – ich bin mit meinen 50 Jahren eine ältere Frau-  nicht mit dem bloßen Vornamen ansprechen kann.
Ich lernte durch sie viel vom Leben von afrikanischen Unterschicht-Frauen kennen z.b. wie Frauen im Stehen pinkeln oder beim Tanzen die Männer anmachen, wie sie sich morgens die Zähne putzen, indem sie irgendwelche Fasern kauen und dauernd in die Gegend spucken und pausenlos miteinander reden können - worüber wohl? Sie redeten natürlich in GA miteinander. Immer sehr lebendig und engagiert. wenn ich mal nachfragte, hieß es: we are discussing..... ich hatte jedenfalls schon mal Mühe, dazwischen zu kommen.
Ich habe ihnen zugeguckt, wie sie in schweißtreibender Arbeit FUFU  - einen Breikloß aus Yams und Mais - gestampft und dann mit der rechten Hand einen kleinen Ball geformt, in Fischsuppe getunkt und gegessen haben. Ich habe es auch probiert, doch es trieb mir die Tränen in die Augen, will es so scharf war, und ich war etwas unglücklich mit meiner bematschten Hand.

im Kasapa-Center haben 20 Gäste Platz in den kleinen Rundhütten.
Das "Herz" von Kasapa ist eine große runde Halle, die an den Seiten offen ist, mit einer eindrucksvollen Strohdachkonstruktion,.
Hier haben wir gegessen, geredet, uns getroffen,  märchenerzählern zugehört , gefeiert . . . . .
Ich saß oft hier und versuchte, mein Tagebuch auf dem neusten Stand zu halten, was mir jedoch selten gelang, weil dauernd jemand kam und ein Schwätzchen hielt.
Zwischen den Pfosten hing eine Hängematte, die ich ideal fand für ein Ruhestündchen. Manchmal lag auch DINA drin. Ich schaukelte sie und sang ihr "schlaf, Kindchen . . . ." vor, was ich auf englisch umgedichtet hatte.
Mein zweiter Lieblingsplatz lag weiter im Busch und hatte einen Blick aufs Meer.

Das Kasapa-center wurde als ökologisch- und soialverträgliches Tourismusprojekt ausgezeichnet.
Es gibt keinen Strom, die Wäsche wird –wie in Afrika üblich mit Kernseife von Hand gewaschen, die Toiletten sind Kompostklos ……….

Duschen und Klos sind in einem Extragebäude, die Duschen bis zur geplanten Solaranlage nur kalt, doch weil ich so ungern kalt dusche, holten wir einen Eimer warmes Wasser aus der Küche, dazu ein kleines Schöpfgefäß. Damit hat DINA das Wasser über mich gegossen. Es war so angenehm.
Wenn noch warmes Wasser übrig war, "duschte" Dina schnell noch neben mir,  bevor sie mir half.

Die Klos waren ohne Wasser, Kompostklos mit Solarventilatoren-Belüftung. Wasser ist in Afrika einfach zu kostbar fürs Klo.
Meins war nicht ganz so komfortabel. Es stand etwas abseits im Busch, hatte keinen Ventilator, Flechtmatten als Wände, sonst wie ein Plumsklo von früher, roch aber besser, weil wir immer etwas Asche nachgelegt haben.
An der Seite pangte mein Griff, den ich in Euskirchen im Baumarkt besorgt und Susanne mitgegeben hatte – Barrierefreiheit in Afrika!

(jetzt kam die idee, solche Klos im Dorf zu bauen, weil der ganze Busch verschissen ist. 15 Haushalte sollen erst mal eins bekommen, Kasapa bezahlt den Schreiner.)

Zur Mannschaft des Center gehörten Auntie MATI, die immer lecker kochte, mit drei Helferinnen, vier Trommler, die den Gästen das Trommeln beibrachten, die Tanzlehrerin begleiteten und bei vielen Gelegenheiten für Stimmung sorgten,
EKOW, der die Anlage sauber hielt, aber auch mittrommelte, wenn er Zeit dafür hatte.
Sister EFUA, die die Wäsche wusch in einer großen Schüssel mit Kernseife.

Ich habe immer noch die Geräusche von Kasapa im Ohr: das pausenlose Gequatsche von DINA und DEDE, das Meeresrauschen, die Grillen, die morgens von Vögeln abgelöst wurden, die mir natürlich völlig unbekannt waren; die Hähne im Dorf,  die Verstärkermusik, die vor einer Beerdigung die ganze Nacht zu hören war,  die "Glocke" der Dorfkirche,die aus einer Lastwagenfelge bestand.
Das Trommeln, das vormittags den Unterricht der Deutschen begleitete, nachmittags den der Kinder aus dem Dorf.

JOSEF, einer unserer Trommler, unterrichte nachmittags eine Gruppe von Dorfkindern im Tanzen und Trommeln. Für sie war es ein einmaliges Freizeitangebot und auch eine Chance, bei ausreichendem Talent vielleicht einmal Geld mit dieser Fähigkeit zu verdienen.
Alle Trommler von Kasapa haben ihre Karriere einmal in einer solchen Gruppe begonnen.

Josef war ein strenger Lehrer. Wenn ein Kind einen Fehler gemacht hatte, ging es zu ihm und bekam mit einem Lineal  einen Schlag auf die geöffnete Hand – das hat mein Lehrer auch immer gemacht. Sonst wäre ich heute kein Trommler - meinte er dazu.

Doch vor Kasapa war die heile Welt zuende. Da war ein sehr schmutziges Fischerdorf und überall fuhren unsere ausrangierten Autos rum, trugen die Leute unsere abgelegten Kleider.
Überall war Menschengewimmel, waren Menschen zu Fuss unterwegs, weil Autos selten sind, wurde irgendwas verkauft, war  ein winziger Bretterbudenfrisiersalon.
Elend war das nicht, Armut ja, aber auch das ganz normale Leben.
 
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