Spione



Spione (Bahariya – Farafra)

An diesem Morgen ziehen wir früh mit unserem Gepäck zur Hauptstraße, auf der einiges Markttreiben herrscht. Wir hoffen – genau wie Andreas – ein Auto nach Farafra zu finden. Die Chancen scheinen zunächst gering, aber schließlich finden wir doch eines. Ein gelber Ford packt uns mitsamt einem Berg Wassermelonen auf seine Ladefläche und jetzt kann unser Wüstenabenteuer beginnen. Dass wir uns zum Schutz gegen die Hitze in Baumwolle packen, müsste nicht eigens erwähnt werden, wäre da nicht Andreas, der es bei einem Netzhemdchen und einem Stirnband belässt. Er hat offenbar eine Elefantenhaut.

Die Landschaft ist mit schwarzem Schotter überzogen, dann tauchen vereinzelt weiße Flecken auf, bis endlich die Weiße Wüste beginnt mit ihren bizarren Kalksteinmonolithen, den kegelförmigen Tafelbergen, die aneinander gereiht an überdimensionale Spargelfelder erinnern, und sogar einigen kleineren Sanddünen. Kontrollposten des Militärs gibt es einige. Einmal werden wir zum Tee eingeladen. Ein andermal müssen wir lange Erläuterungen geben, weil das Lesen unserer Pässe den Soldaten größere Rätsel aufgibt.

Endlich dann Farafra, eine Bilderbuchoase. Zuvor in Bahariya gab es noch hupende Autos und lärmende Fernseher, war die Stadt noch irgendwie spürbar. Farafra dagegen wirkt beinahe jungfräulich. Seine bemalten Lehmhäuser sind von einer Art Stadtmauer umgeben. In eines dieser Häuser lädt man uns ein und wir bestaunen die angenehme Frische, die die Außentemperatur fast auf der Stelle vergessen lässt.

Das Gepäck haben wir in einem neu gebauten Resthouse vor dem Dorf abgestellt, wo ein (zivil gekleideter) Hauptmann Saïd gleich wieder nach unseren Pässen fragt. Die Angst vor libyschen Spionen scheint groß und uns bleibt nur die sprichwörtlich gute Miene. Wir versuchen ihm weiszumachen, dass wir verheiratet seien (zu unserem Schutz), aber das nimmt er uns nicht ab. Das Resthouse ist voll belegt und wir werden die Nacht deshalb auf der Veranda verbringen.

Zuvor aber streifen wir in der Oase herum, zwischen Dattelpalmen, Feigen- und Olivenbäumen, und entdecken dabei sogar einen kleinen See, der aus einer lauwarmen Quelle gespeist wird.

Die Gäste des Resthouse und ein paar Nachbarn, die sich um den etwas aufgeplusterten Hauptmann Saïd gruppieren, sind freundlich und bemüht. Sie reichen uns Tee, Brot und Käse und spielen noch bis spät am Abend Schach und Karten. Auch eine Handvoll frische Feigen haben wir gegessen, ein Händler, der uns zuvor auf unserem Spaziergang begegnet war, hatte sie uns geschenkt.

Schürzenjäger (Farafra und weiter)

Von Farafra in die nächste Oase, nach Dakhla, zu gelangen könnte schwierig werden. Wir haben jedoch Glück, denn gerade heute wird ein Lkw dorthin unterwegs sein. Im Resthouse haben wir bereits die entsprechenden Kontakte geknüpft, am Nachmittag soll’s losgehen.

Ein weiteres Mal streifen wir durch die Gärten, wo einem die Früchte geradezu in den Mund zu wachsen scheinen. Wir begegnen vielen Jungen und Mädchen, die ein paar Ziegen oder Schafe oder einen Esel über die schmalen Wege treiben. Dunkel schillernde Libellen umschwirren die schmalen Bewässerungsrinnen. Eine Schlange nimmt panisch vor uns Reißaus (nicht umgekehrt), sie will an einer Mauer hoch, gleitet aber immer wieder ab. Von zwei anderen nehmen wir nur ein kurzes Vorbeihuschen wahr.

Wir verirren uns fast in diesem Labyrinth der kleinen Pfade und gelangen erst um die Mittagszeit zum Ausgangspunkt zurück. Im Hotel rüstet man bereits zum Aufbruch. Hauptmann Saïd instruiert uns nachdrücklich dahingehend, dass wir nicht von der Hauptstraße abweichen dürften, denn obwohl Libyen noch ein großes Stück entfernt ist, sind die Oasen je nach Sichtweise die ersten bzw. letzten Ansiedlungen zur Grenze hin. Am gestrigen Abend noch hatten wir im Dorf bewaffnete Milizen beobachten können, Männer in Zivil mit geschulterten Gewehren.

Die Fahrt nach Dakhla wird etwas anders verlaufen als die letzte, nämlich überwiegend bei Dunkelheit. Als wir auf die Ladefläche des Lkws steigen, trifft uns aber noch die volle Tageshitze. Wir sind hier oben natürlich nicht allein. Einige Bauern fahren noch mit, sie sollen im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts geschult werden.

Nach ungefähr 100 Kilometern machen wir bei einer Bewässerungsanlage Halt. Es wird ein längerer Aufenthalt und man überhäuft uns mit Melonen und Tee. Ein paar Männer spielen Fußball. Das sieht komisch aus, weil alle Jalabias tragen und deswegen beim Kicken jedes Mal wie kleine Mädchen ihre Tanzschürzen ein Stück lupfen, um auf den Ball treten zu können und nicht über die eigenen Füße zu stolpern.

Leider klagt inzwischen Karin über Durchfall, nachdem ich meinen überwunden habe. Aber schlimmer: Sie hat Fieber. Trotzdem hält sie sich tapfer und wir hoffen, dass der Spuk bald vorüber sein wird.

Bei Einbruch der Dunkelheit wird die Fahrt dann fortgesetzt. Es herrscht jetzt ein ziemliches Gedränge auf der Ladefläche. Lautstarke Unterhaltungen und weiterhin das eifrige Bemühen, uns dieses und jenes zu erklären. Besonders Andreas, den alle wegen seines kraftvollen (und halb nackten) Äußeren bewundern, ist ständig gefordert.

Wir durchqueren teilweise Sandwüste und können, da der Mond ein starkes Licht aussendet, vieles von der flachen Landschaft erkennen.

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Autor: Remo Nemitz