Kurtaxe



Kurtaxe (Dahkla – Assiut)

Nach Mitternacht erreichen wir eine weitere Oase und kommen dort mit dem Verwalter der örtlichen Bibliothek ins Gespräch, der uns in sein Haus einladen möchte. Einladungen – so viel wissen wir längst – sind in erster Linie eine Höflichkeitsbezeigung; erst beim dreimaligen Aussprechen sollte man sie ernst nehmen. Aber auch dann besteht die Gefahr, dass der Gastgeber sich in Unkosten stürzt. Eine höfliche Ablehnung ist je nach Lage der Dinge nicht verkehrt. Auch in diesem Fall bedanken wir uns herzlich, leisten ihr aber nicht Folge, zumal Karin sich gesundheitlich schlecht fühlt.

Bereits eine Stunde später erreichen wir Dakhla. Der Fahrer setzt uns an einem Hotel ab, für die Fahrt will er nichts haben. Das Hotel freilich ist teuer, man zahlt nicht nur für das Zimmer, sondern muss auch eine "Kurtaxe" berappen. Das ist deshalb schon lächerlich, weil wir gar nicht planen hier zu bleiben und das Zimmer überdies unsauber und sehr stickig ist. An Schlaf ist deshalb kaum zu denken, man hat lediglich den Wunsch zu trinken.

Gegen neun Uhr am Morgen soll ein Bus direkt nach Assiut gehen, während die Oase Kharga eine Besichtigung (sagt der Reiseführer, dieses Mal der von Reise Know How) nicht lohne. Tatsächlich, als wir Kharga später passieren, sieht man bloß eine Ansammlung von Mietskasernen. Sie sind eingehüllt in Staub und überall liegen Schutt und Abfälle herum.

Daran, mehr von Dakhla zu sehen, ist leider nicht mehr zu denken. Auch in Dakhla gibt es freilich einen neuen Teil, er umschließt den alten Oasenkern. Vom Hotelfenster aus beobachten wir an diesem Morgen einen Unfall. Ein Auto fährt in ein Eselfuhrwerk. Man zerrt das gestürzte Tier unter der Deichsel des Fuhrwagens hervor. Es hinkt, kann sich nur mühsam auf den Beinen halten. Es ist die zu Ende gehende Zeit, die gegen die neue (hier besonders hässliche) nur noch eine begrenzte zeitliche Chance hat.

Andreas hat ein Medikament parat, das Karin wieder auf die Beine hilft. Wenn auch langsam, denn sie leidet weiter an Durchfall. Aber die Magenkrämpfe haben aufgehört und das Fieber ist weg.

Obwohl es erst acht Uhr ist, sind wir zu spät dran: Der Bus ist bereits überfüllt. Für Karin findet sich dennoch ein Platz, Andreas und ich müssen uns bis Kharga mit einem Stehplatz begnügen. Bei einem Halt kurz vor Assiut wird Reispudding angeboten und es ist die erste kleine Mahlzeit seit Farafra. Trotzdem ist Hunger eher ein Fremdwort, die Hitze macht ihn vergessen.

Assiut erreichen wir dann am späten Nachmittag. Es ist eine Provinzstadt, die uns auf Anhieb sympathisch ist, wohl auch wegen des etwas milderen als des zuletzt erlebten Wüstenklimas. Wir landen im Hotel Zam Zam. Andreas nimmt noch eine Dusche, ehe er sich von uns verabschiedet. Er wird gleich weiterfahren nach Luxor. Karin und ich dagegen sind müde und zu mehr als einem kleinen Spaziergang kommt es an diesem Abend nicht mehr.

Bubenstreiche (Assiut)

Besuch des Marktes. Zwei Gässchen sind mit Sackleinen überdacht. Ein Hin und Her, Rufen und Feilschen. Wir finden Gewürze, die zu Hause in unserer Küche Verwendung finden werden: Koriander, Tamarinde, Kreuzkümmel, Bockshornklee, Muskat, Gelbwurz, Pfefferminzsamen, Chili und vieles mehr. Auch Weihrauch, der hier sehr beliebt zu sein scheint, packen wir ein. Karin kauft ein schwarzes Tuch, so eins wie es die Frauen hier über dem Kopf tragen. Fremde scheint man selten auf diesem Markt begegnet zu sein, wir fallen den Leuten auf.

Heute wollen wir nach den strapaziösen letzten Tagen ein wenig ausruhen. Deshalb kehren wir bald wieder in unser Hotel zurück und schmökern ein wenig in unserer Reiselektüre. Der Hotelmanager, ein freundlicher Junge, kommt und sagt, dass ein paar junge Burschen auf uns warten würden, wir sollten vorsichtig sein.

Wenig später erscheint dann ein Mann, der nach billigem Parfüm riecht und uns in seinen Souvenirladen zum Tee einladen möchte. Ich lehne nicht gerade höflich ab, der Mann ist mir unsympathisch. Aber so leicht lässt er nicht locker, ständig kommt er mit neuen Vorschlägen, spielt den Gekränkten. Wir sperren ihm schließlich die Tür vor der Nase zu.

Nach einer Weile klopft unsere Zimmernachbarin an, sie lädt uns zu einer Limonade ein. Sie heißt Eviola, ist eine Medizinstudentin und gehört zu den christlichen Kopten. Sie spottet über die muslimischen Frauen. Es ist eine lange Unterhaltung, jeder erzählt etwas von seinem Land und manches klingt in des anderen Ohren recht verwirrend.

Wir würden gern eine Nilinsel besuchen, dorthin gelangt man auf einer Feluke, einem kleinen Segelboot. Eviola organisiert und bezahlt es sogar ("you are in my country"), kommt aber selbst nicht mit uns.

Auf diesem Boot begegnen wir dann einem Limnologen. Er erzählt uns vieles Wissenswerte über die Ökologie des Niltals, während der Kapitän, ein kleiner drahtiger Mann, sein Boot, fast ohne dass man es merkt, zur anderen Flussseite lenkt. Kinder empfangen uns dort, Hunde kläffen. Dann wird es beim Gang entlang des Ufers bald sehr still und beschaulich. Blühende Wasserlilien, flatternde bunte Vögel mit einem Häubchen auf dem Kopf. Manchmal ein Passant, ein kurzer Gruß und stets ein wenig Distanz. Auf der Insel, die gar keine richtige ist, sondern eine Art Nehrung, werden Bananen gepflanzt, ebenso Wein und Mais.

Mit unserem Käpt’n haben wir vereinbart, dass er nach einer Stunde dort wieder anlegen soll, wo wir ausgestiegen sind. Nun gut, er kommt erst nach zweien, was uns, die wir nun auf ihn warten, eine Unzahl an neugierigen Kindern beschert. Den ersten Schwarm beschenken wir mit Luftballons. Das hat zur Folge, dass neue Schwärme kommen; diesmal bringen sie ihre Mütter gleich mit, und die Mütter sind es, die uns mit theatralischem Mienenspiel bedeuten, wie sehr ihre Kinder leiden würden, bekämen sie nicht auch so einen Luftballon. Das Ende vom Lied ist, dass wir fast ein ganzes Päckchen verteilt haben.

Später im Hotel ist von den bösen Buben, die angeblich auf uns warten, nichts zu sehen.

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Autor: Remo Nemitz