Kenia - Geschichte



Frühgeschichte bis zur Unabhängigkeit

In den 1950er und 1960er Jahren entdeckte der Anthropologe L.S.B. Leakey im nördlichen Tansania Reste von Hominiden, die vor etwa 2 Millionen Jahren lebten. Diese vielleicht ersten Menschen auf der Erde bewohnten wahrscheinlich auch Südkenia. Im Hochland von Kenia konnte die Existenz der Landwirtschaft und Herden domestizierter Tiere ab 1000 v.Chr. nachgewiesen werden. Ab dem Jahr 100 n.Chr. gab es Handel zwischen der kenianischen Küste und Arabien. Araber siedelten sich im Mittelalter an der Küste Kenias an, wo sie bald mehrere autonome Stadtstaaten bildeten (u.a. Mombasa, Pate und Malindi). Ackerbauern und Hirten wanderten ab 2000 v.Chr. aus Südäthiopien ein und ließ sich in Kenia nieder. Es gibt auch Hinweise, dass zwischen 500 v.Chr und 500 n.Chr. Bantus und Niloten aus dem Südsudan nach Kenia kamen.

Die Portugiesen landeten erstmals im Jahr 1498 an die kenianische Küste, zum Ende des 16. Jahrhunderts kontrollierten sie grosse Teile dieser Küste, einschliesslich Mombasa. Im Jahr 1729 wurden die Portugiesen aus Mombasa vertrieben, als führende Kräfte an der Küste etablierten sich zwei arabische Dynastien: die Busaidi-Dynastie, zunächst in Muskat (Oman) und ab 1832 auf Sansibar beheimatet und die Mazrui Dynastie mit Sitz in Mombasa. Die Busaidi entrissen den Mazrui Mombasa im Jahr 1837. Ab dem frühen 19. Jahrhundert gab es Fernhandel  zwischen Mombasa und dem Victoriasee.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kartierten europäische Forscher (vor allem John Ludwig Krapf und Joseph Thomson) Regionen des Landesinneren. Die britische und deutsche Regierung vereinbarten 1886 ihre Einflusssphären in Ostafrika, der grösste Teil des heutigen Kenia fiel an die Briten. Im Jahr 1887 erhielt eine britische Vereinigung vom Sultan von Sansibar Konzessionsrechte für die Küste Kenias. Der Verein wurde 1888 zur Imperial British East Africa Company, ernste finanzielle Schwierigkeiten führten bald zur Übernahme durch die britische Regierung. Diese gründete 1896 das Ostafrikaprotektorat. 1895 – 1901 wurde zwischen Mombasa und Kisumu am Victoriasee eine Eisenbahn gebaut, die den Handel mit dem Landesinneren und Uganda erleichtern sollte.

Im Jahre 1903 etablierten sich die ersten Siedler europäischer Abstammung im Hochland als Grossbauern, indem sie Land von den Kikuyu, Massai, und Anderen nahmen. Zur gleichen Zeit zogen indische Händler von der Küste in das Inland. Im Jahr 1920 wurde das Gebiet umbenannt und die Verwaltung geändert, das Inland wurde zur Kolonie Kenia und der 16 Kilometer breite Küstenstreifen zum Protektorat von Kenia. Von den 1920er bis zu den 1940er Jahren kontrollierten die europäischen Siedler die Regierung und umfangreiches Ackerland; die Inder bestimmten den Kleinhandel und die niedrigen Regierungsebenen während die Afrikaner in kleinem Maßstab Kaffee und Baumwolle anbauten bzw. Subsistenzlandwirte oder Arbeiter in den Städten (vor allem in Nairobi) waren.

In den 1920er Jahren begannen die Afrikaner gegen ihren niedrigen Status zu protestieren. Die Proteste erreichten zwischen 1952 und 1956 mit dem Mau-Mau-Aufstand ihren Höhepunkt. Der Aufstand wurde von Kikuyu geführt und war zum Teil eine Rebellion gegen die britische Herrschaft und zum Teil ein Versuch, traditionelle Landrechte und Regierungsformen wieder einzuführen. Die Briten erklärten den Ausnahmezustand und inhaftiert viele der nationalistischen Führer, einschließlich Jomo Kenyatta. Nach der Revolte vergrösserte Großbritannien die afrikanische Vertretung im kenianischen Legislativrat, im Jahr 1961 gab es hier eine afrikanische Mehrheit.

Modernes Kenia

Am 12. Dezember 1963 wurde Kenia (sowohl Kolonie als auch Protektorat) unabhängig. 1964 wurde das Land zur Republik mit Kenyatta als Präsident. Das erste Jahrzehnt der Unabhängigkeit war von Streitigkeiten zwischen den ethnischen Gruppen (vor allem zwischen den Kikuyu und den Luo), durch Wirtschaftswachstum und wirtschaftliche Diversifizierung und durch das Ende der europäischen Dominanz geprägt. Viele Europäer (1962 lebten über 55.000 in Kenia) und Asiaten verliessen das Land freiwillig. Grenzstreitigkeiten mit Somalia führten zwischen 1963 und 1968 zu sporadischen Kampfhandlungen. 1969 wurde Tom Mboya, ein führender Regierungsbeamter und möglicher Nachfolger Kenyattas, ermordet. In den 1970er Jahren waren mehr als 70 % des Landes von einer grossen Dürre betroffen. Kenyatta's Bekämpfung seiner politischen Gegner führte zu weiteren Unruhen im Land. Im Verlauf der 1970er Jahren verschlechterten sich die Beziehungen zu den Nachbarländern immer mehr, es gab Grenzstreitigkeiten mit Uganda. Tansania schloss seine Grenze zu Kenia, als Kenia nach dem Sturz von Idi Amin in Uganda mehrere seiner Anhänger aufnahm.

Nach Kenyattas Tod 1978, übernahm Vizepräsident Daniel arap Moi das Präsidentenamt. Moi förderte die Afrikanisierung der Industrie, indem er ausländisches Eigentum beschränkte und Kredite an afrikanische Investoren ausweitete. Innenpolitisch lehnte er Forderungen nach Demokratisierung ab und unterdrückte die Opposition. Mit Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen kam es zu Gerüchten über einen Putsch. Moi verdächtigte Militärs der Luftwaffe und liess mutmaßliche Beteiligte verhaften. Im Laufe der 1980er stabilisierte Moi seine Macht und führte regelmäßige Säuberungsaktionen in der Regierung durch.

1988 kam es nach der Verhaftung mehrerer Oppositioneller zu Krawallen. 1991 musste sich die Regierung dem Druck aus dem In- und Ausland beugen und legalisierte mit einer Verfassungsänderung die Mehrparteien-Demokratie. Im Jahre 1992 wurde Präsident Moi in Kenias erster demokratischer Wahl in 26 Jahren wiedergewählt. Gegner sprachen von Wahlfälschung, der Regierung wurden in der Folgezeit Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. In den 1990er Jahre flohen Zehntausende Flüchtlinge vor Kämpfe in Somalia nach Nordostkenia. Moi wurde im Jahr 1997 wiedergewählt, die Regierungspartei verlor jedoch mehrere Sitze im Parlament. Im August 1998 explodierte in einem terroristischen Anschlag eine Bombe vor der US-Botschaft in Nairobi die rund 250 Menschen tötete.

Nachdem es Moi durch die Verfassung nicht mehr erlaubt war, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, ernannte er Uhuru Kenyatta, Sohn von Kenias ersten Führer, zum Kandidaten der Regierungspartei Kenya African National Union (KANU). Mwai Kibaki, der gegen Moi in den Jahren 1992 und 1997 antrat und bereits als sein  Vizepräsident arbeitete, war der Kandidat der National Rainbow Coalition (NARC) und populärster der vier Oppositionskandidaten. Die Wahl im Dezember 2002 war, obwohl nicht frei von Fälschungen, die glaubwürdigste Wahlen seit der Unabhängigkeit Kenias und führte zu einem Sieg Kibakis. Er wurde mit 62 % der Stimmen zum Präsidenten gewählt und NARC gewann die Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung.

Als eine Verfassungskonferenz im Januar 2004 eine Änderung der Verfassung vorschlug, die die Befugnisse des Präsidenten verringerte und das Amt eines Premierminister eingeführt hätten, zog sich die Regierung aus der Konferenz zurück. Kibaki, der als Oppositioneller einen solchen Vorschlag unterstützte und versprach, innerhalb von 100 Tagen nach seiner Wahl eine neue Verfassung einzuführen, stürzte seine Koalition mit dieser Frage in Streitigkeiten. Im Juli ließ er das Mandat der Verfassungskonferenz enden und ernannte einen neuen Verfassungsausschuss. Ebenfalls im Juli erweiterte er sein Kabinett, nahm Vertreter der KANU und anderen Oppositionspartei in die Regierung auf und stufte Koalitionsmitglieder, die die Verringerung der Präsidentenbefugnisse unterstützten, herab. Im Febrauar 2005 spaltete sich die KANU, zwei getrennte Exekutiveräte strebten die Kontrolle über die Partei an. Die KANU-Fraktionen führten den Kampf um die Kontrolle über die Partei bis 2006.

Im August 2004 begannen einige Massai über Landrechte zu protestieren. Dieses Land wurde für 99 Jahre an die Briten vermietet, die nun abgelaufen waren. Die Regierung stellte diese Behauptung in Frage, aber die Massai brachten mit ihren Protesten die Ungerechtigkeit von vielen langfristigen Mietverträgen (einige mit Laufzeiten von mehr als 900 Jahre), die die Briten indigenen kenianischen Völker aufzwangen, in das internationale Bewusstsein. Die Frage der sehr langfristigen Mietverträge gehörte zu denen, die die ins Stocken geratenen Verfassung hätte lösen können. Anfang 2005 kam es zwischen Massaihirten und Kikuyubauern zu Kämpfen um knappe Wasserressourcen.

Kibaki hatte versprochen das Problem der Korruption in Kenia anzugehen, löste dieses Verprechen jedoch nicht ein. Der britische Botschafter beschuldigte kenianische Beamten der "massiven Plünderung." Der Leiter der Korruptionsbekämpfung trat im Febrauar 2005 zurück. Im März veröffentlichte die Regierung einen Report, dass britische Bankkonten mit über 1 Milliarde US-Dollar gefunden worden. Dieses Geld wurde unter der Moi-Regierung ausser Landes gebracht, es wurde versucht, Zugriff auf das Geld zu erhalten.

Das Parlament billigte im Juli 2005 einen Verfassungsentwurf, der auch das Amt eines Premierministers vorsah, die meisten Exekutivbefugnisse blieben aber weiterhin bei dem Präsidenten. Einige Mitglieder des Kabinetts wie der ehemalige Präsident Moi befürworteten eine Ablehnung in der nötigen Volksabstimmung, während Kibaki für seine Zustimmung warb. Die Wähler lehnten den Entwurf im November 2005 ab. Kibaki entliess später die gesamte Regierung und ernannte im Dezember ein neues Kabinett, das von Verbündeten dominiert wurde, einige Minister und Abgeordnete lehnten ihre Ernennung jedoch ab. 2005 führten Dürre und Ernteausfälle im Nordosten Kenias zu Nahrungsmittelknappheit und Todesfällen, die Regierung wurde beschuldigt, zu langsam auf das Problem reagiert zu haben.

Im Februar 2006 kam es durch zwei Korruptionsskandale zum Rücktritt oder Abberufung von vier Kabinettsmitgliedern, darunter der Finanzminister. Vorwürfe der Korruption wurde auch gegen den Vizepräsidenten laut, der diese Anschuldigungen jedoch abstritt. Im März durchsuchten Eliteeinheiten der kenianischen Polizei die älteste Zeitung Kenias und deren Fernsehsender. Exemplare der Zeitung wurden während der Razzia von der Polizei verbrannt und der Fernsehsender musste den Betrieb einstellen. Diese Razzia war offenbar ein Versuch der Regierung, kritische Medien einzuschüchtern.  Mitglieder der Opposition und viele Kabinettsmitglieder protestierten gegen dieses Vorgehen. Im gleichen Monat öffnete Kibaki schließlich wieder das Parlament. Kenianische und äthiopische Soldaten trafen im April 2006 aufeinander, als die Äthiopier Oromo-Rebellen über die kenianische Grenze verfolgten. Die Kämpfe in Somalia im Jahr 2006 brachten zu den 130.000 bereits in Kenia befindlichen Flüchtlinge weitere 30.000. Eine Kabinettsumbildung im November 2006 machte zum grossen Teil die früheren Ministerrücktritte nach den Korruptionsskandalen rückgängig. Nur der ehemalige Finanzminister blieb ohne Posten.

Nach den Wahlen im Dezember 2007 wurde Präsident Kibaki, Kandidat der Partei der Nationalen Einheit, zum Sieger erklärt. Die wurde jedoch von in-und ausländischen Beobachtern in Frage gestellt. Im April 2008 hiess es in einem Bericht der Europäischen Union, dass es unmöglich wäre den Wahlsieger zu bestimmen. Kibakis Gegner, der Kandidat des Orange Democratic Movement (ODM), Raila Odinga, führte in den Meinungsumfragen vor der Abstimmung und warf Kibaki nach der Wahl Betrug vor. Das Wahlergebnis führte zu Unruhen und Gewalt in vielen Teilen Kenias. Ein Teil der Gewalt war ethnisch begründet, Luos (das Volk Odingas) griffen Kikiyus (Kibaki's Volk). Mehr als tausend Kenianer starben und mehrere Hunderttausend wurden aus ihren Häusern vertrieben. Nach Verhandlungen, die durch Kofi Annan, dem ehemaligen UN-Generalsekretär, vermittelt wurden, einigten sich beide Seiten im Februar 2008 auf eine Teilung der Regierungsmacht. Odinga wurde Premierminister. Nach weiteren Verhandlungen Anfang April und Protesten von Odingas Anhängern, wurde eine Regierung gebildet, Odinga und die Regierung wurden Mitte April 2008 vereidigt.
Autor: Remo Nemitz