Schnupperzonen



Schnupperzonen (Kairo)

Wir schlendern an diesem Tag durch die kleinen Gassen, über die Märkte. Leider eignet der Sonntag sich nicht eben gut dazu. Zumindest hier in der Stadt scheint er den islamischen Freitag abgelöst zu haben, viele Geschäfte sind geschlossen.

Der Weg führt uns zur Zitadelle mit der Muhammed-Ali-Moschee. Beim Eintritt nutzen wir die Gelegenheit unsere Füße unter einen Wasserhahn zu halten, zur kurzzeitigen Abkühlung. Die Moschee erinnert (mich) an türkische Vorbilder, erreicht sie aber nicht. Der Al-Ganhara-Palast, nebenan gelegen, ist 1972 teilweise abgebrannt. Was nun an Räumlichkeiten zu sehen ist, wirkt bescheiden, findet gleichwohl ein staunendes Publikum.

Nach wie vor zieht es uns in die Bazargässchen, ins islamische Kairo. Bereits am Vortag waren wir auf einen Markt in der Nähe des Tahar-Platzes gestoßen und jetzt ist ein ganzer Stadtteil ein einziger großer Markt. Beinahe jeder Schritt führt in eine veränderte Geruchszone, Düfte und Gestank bilden eine abwechslungsreiche Palette. Es ist ein ärmliches Viertel, aber ich habe nicht das Gefühl, dass die Bewohner der graubraunen, dem Zerfall nahen Häuser ein fades Dasein fristen. Alle scheinen eingebunden in eine große Betriebsamkeit.

Der Versuch sich am Stadtplan zu orientieren scheitert, wir laufen, was immer das heißt, in die verkehrte Richtung. Als ich einen Polizisten nach dem Namen einer Straße frage, zuckt er nur mit den Schultern und sagt "No speak English".

Der Khan-el-Khalili-Markt ist am heutigen Tag geschlossen. Einige Händler in den wenigen offenen Läden geben immerhin einen Eindruck davon, was einen an anderen Tagen erwartet, in diesem Fall die Touristen, für die er im Wesentlichen da zu sein scheint. Sie werden mit allerhand besten, billigsten und ehrlichsten Angeboten nur so zugeschüttet.

Eine weitere Moschee. Davor schlafen zwei Männer, im Vorhof ein einzelner Beter, die Kuppelhalle ist fast ausgestorben. Ein paar zerbrochene Kalligrafie-Tafeln, das ist alles Bemerkenswerte. Nachmittag ist es geworden. Wir essen noch ein Tellerchen voll Scampis, dann ruhen wir uns im Hotel aus.

Erst nach Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder auf den Beinen und spazieren zu dem Riesenramses, von dem wir hoffen, dass er angestrahlt ist. Er steht aber im Dunkeln und bleibt zu dieser Stunde so geheimnisvoll wie die Zeit, der wir am morgigen Tag auf die Spur kommen werden.

Pyramidal (Kairo/Gizeh)

Mit dem Sammeltaxi nach Gizeh, mit einem weiteren zu den Pyramiden. Hinter einer Backsteinmauer neben der Autostraße tauchen sie plötzlich auf, rußbraun, stumm und gewaltig.

Kamelführer wollen uns zu einem kleinen Ritt überreden. Nachdem sie sich erkundigt haben, woher wir kommen, stöbern sie in ihrem Wortschatz und ziehen Wendungen hervor wie Mensch Meier, Hummel hummel, Alles klar oder Muss muss. Egal, ich habe wirklich Lust einfach mal wieder auf einem Kamel zu sitzen. Nach einem kurzen Handel finden wir uns dann beide auf dem Höcker von Charlie Brown wieder. Ein Junge führt ihn und leiert dabei einige Zahlen zu den drei Pyramiden herunter und Charlie Brown tappt mit seiner komischen Kamelwürde über ein paar Quadratmeter geschichtsträchtige Wüste.

Wir gelangen zu der vorsichtig restaurierten Sphinx, deren Länge erst jetzt von der Seite richtig sichtbar wird: stolze 73 Meter. Charlie Brown mit seinem fliegenumschwirrten Kopf stöhnt und brüllt, als er genötigt wird wieder in die Hocke zu gehen, um uns absteigen zu lassen. Wir streunen zu Fuß weiter.

Es ist heiß, aber es weht auch ein angenehmer Wind. Von der Chefrem-Pyramide, die auf einem Hügel steht und, obwohl kleiner als die Cheops, deshalb die anderen beiden überragt, hole ich mir einen Stein, eine Art historischer Mundraub. Ein vorbeikommender Mann bittet uns um einen Schluck Wasser. Wir geben ihm mehr und er preist uns als glückliches Paar.

Durch einen schmalen Gang kann man ins Innere der Mykerinos-Pyramide gelangen. Am heutigen Tag schwärmt hier aufgeregt die Polizei herum, denn vor dem Eingang parkt die Limousine des kanadischen Botschafters. Den bekommen wir dann nicht zu Gesicht, wir haben es nämlich versäumt zuvor ein Ticket zu kaufen; der Schalter liegt ein paar hundert Meter entfernt, zu weit bei der Hitze. Wir wandern stattdessen zu dem so genannten Taltempel des Chefrem, einem Granitbau aus der pharaonischen Frühzeit; die Kunst der Bauleute bestand unter anderem darin, dass sie sich nicht den kleinsten Spalt zwischen den großen aufeinander geschichteten Steinplatten erlaubt haben.

Unsere Pyramidenwanderung ist für heute zwar zu Ende, aber wir beschließen auf unserer Rückreise nochmals hierher zu kommen und dann auf Pferden zu dem zwanzig Kilometer entfernten Sakhara zu reiten.

Nach Gizeh zurückgekehrt, läuft uns ein Mann über den Weg und bietet seine Dienste an. Es ist schwer ihn wieder loszuwerden. Er besorgt uns einen Tee und ein schattiges Plätzchen und will uns Parfüm und irgendwelchen Touristenkitsch verkaufen. Was wir tatsächlich brauchen, ist Stoff für ein Hemd; den finden wir auch zu einem günstigen Preis. Als aber der Mann uns nun zu einem Schneider führt, scheitert die Sache bald, weil uns das Angebot, das natürlich auch eine Provision für den Schlepper berücksichtigt, viel zu teuer erscheint. Nicht einmal den zuvor mit großen Tönen gereichten Tee will der Mann jetzt noch bezahlen.

Es treibt uns nach Kairo zurück zum so zu sagen zweiten Teil der Exkursion in die Pharaonenzeit. Was wir nun im Ägyptischen Museum sehen, übersteigt meine Erwartungen. Es ist unmöglich ins Detail zu gehen. Aber so viel sei gesagt, dass jemand der bei einer der seltenen Gelegenheiten die Tut-Ench-Amun-Sammlung in Europa gesehen hat, gar nicht ahnen kann, was noch alles aus diesem Umfeld existiert, nicht zuletzt mit Blick auf den Alltag im Pharaonenreich. Vielleicht gehört es zu den Geheimnissen dieses Museums, dass es nicht bloß aus Barrieren und Panzerglasvitrinen besteht, dass im Gegenteil vieles "so herumliegt" und auch ein bisschen eingestaubt ist. Am Ende habe ich jedenfalls das Gefühl ein ganzes, mir bislang so fremdes Zeitalter besichtigt zu haben.

Am Abend suchen wir einen kleinen Hinterhof auf, von wo aus Busse zur Oase Bahariya fahren. Für den morgigen Tag bekommen wir allerdings keine Tickets mehr, und weil es mutmaßlich keine andere Möglichkeit für uns gibt ans Ziel zu gelangen, hängen wir noch einen weiteren Tag in Kairo an.

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Autor: Remo Nemitz