Punktsieger



Punktsieger (Kairo).

Der Zoo ist eine Sache für sich. Gut, ein Zoo ist es auch, aber zu einem anderen Teil auch ein Familienzirkus. Die Tiere sind oft zum Anfassen und man kann sich darüber wundern, dass man um die Reptilien nicht wenigstens einen Gartenzaun gezogen hat. Kinder reiten hordenweise auf Elefanten und machen für ein Bakschisch akrobatische Kunststückchen. Kinder müssen es sich auch gefallen lassen, dass man ihnen dicke Schlangen um den Hals legt, damit ein Familienvater Erinnerungsfotos von ihnen machen kann. Es herrscht ziemlicher Trubel, es wird gekocht, musiziert, geschlafen und so ist der Zoo in erster Linie ein (nicht eben grüner) Park für lärmende Großfamilien, die Tiere sind eher Staffage.

Was für Tiere? Exoten aus Europa. Wir bestaunen auf diese Weise zum ersten Mal in einem Zoo einen deutschen Schäferhund (übrigens mit Schlappohren und weiteren Promenade-Beimischungen), Hauskatzen, Wellensittiche und Kanarienvögel und überhaupt manches, was bei uns in einer Tierhandlung angeboten wird. Und – wir selbst sind (ganz auf dieser Linie) eine mindestens ebensolche Sehenswürdigkeit. Wo immer wir vor einem Käfig stehen, geraten die Umstehenden in ein gewisses Dilemma: Wem sollen sie ihre Aufmerksamkeit schenken, einem halb verhungerten Vogel oder lieber uns? Sogar vor dem Löwenkäfig bleiben wir eindeutig Punktsieger.

Später in der Innenstadt machen wir weite Spazierwege, bis wir schließlich eine passende Kaschemme finden, um etwas Gebratenes zu essen. Erschöpft gehen wir dann zurück ins Hotel. Am Abend suchen wir noch ein Restaurant auf, von dem Wunderdinge versprochen werden, aber dann ist die Hälfte von dem, was aufgetragen wird, mehr oder minder ungenießbar. Noch einen Tee zum Abschluss und es beginnt wieder einmal der nächtliche Kampf mit den Mücken, bei dem es nur immer einen Sieger gibt.

Alpenblick (Kairo – Bahariya)

Der Bus startet pünktlich um neun. Zuvor gibt es noch ein kleines Problem. Jemand hat auf seinem Billet dieselbe Sitznummer wie einer von uns. Der Busschaffner löst die Sache, indem er uns willkürlich zwei andere Nummern zuweist, allerdings sind auch diese Sitze bereits belegt. Aber dann findet man noch einen freien Platz für den ersten Mann und alles ist wieder in Ordnung. Der Bus ist gerade eine halbe Stunde unterwegs, als er bereits das erste Mal anhält, um uns eine gute Stunde frühstücken zu lassen. Dann endlich lassen wir Kairo hinter uns und folgen auf einer gut ausgebauten Straße einer Eisenbahnlinie in Richtung Bahariya.

Die Wüste, die wir zunächst erleben, ist steinig und reizlos, der Bus mittlerweile vollgestopft mit Leuten, viele werden auf der Fahrt keinen Platz mehr finden. Mitten in der Landschaft überqueren zwei Radfahrer aus einer in der Nähe gelegenen Arbeiterbaracke plötzlich die Fahrbahn. Der auf sie zurasende Bus hätte sie fast überfahren.

Bahariya besteht aus einer Reihe von Dörfern und Weilern. Die ersten erreichen wir am frühen Nachmittag. Bis wir dann in Bawiti sind, dem Hauptort, vergeht noch mehr als eine weitere Stunde.

In Bawiti nimmt man uns, als ob es zum Service gehörte, sogleich in Empfang und bugsiert uns zu einem kleinen Hotel, das den famosen Namen Casino Alpenblick trägt. Zumindest steht es so geschrieben an der Hauswand, sogar ein Edelweiß ist aufgemalt. Ob die Einheimischen diesen Namen benutzen, ist allerdings fraglich, denn es gibt auch arabische Aufschriften und Rommels Armee war lange nicht mehr hier.

Es ist ein stiller und reinlicher Ort, bestehend aus einem einfachen quaderförmigen Lehmziegelhaus und einem Brunnen. Wir trinken gesüßten Tee und machen die Bekanntschaft von Andreas, einem Berliner, der alleine unterwegs ist und einen ziemlich gebeutelten Eindruck macht. Er ist zum ersten Mal im Orient und er hat sich der Mentalität noch nicht richtig angepasst. Vor allem weiß er nicht, dass Versprechungen oft aus Gefälligkeit gegeben werden, aber niemand ernsthaft daran denkt sie einzuhalten. So lebt Andreas schon seit zwei Tagen mit der immer wieder erneuerten Zusage eine Mitfahrgelegenheit nach Farafra, der nächstgelegenen Oase, zu erhalten. Und wieder soll es "heute noch" klappen, aber der Tag wird immer länger, bis endlich gar nichts mehr geht. Um ihn wieder aufzumuntern, gehen wir zusammen zu den Palmgärten, die von Lehmmauern mit aufgesteckten Palmblättern umfriedet sind. Datteln, Feigen, Trauben und Bananen gedeihen deshalb hier so gut, weil eine warme Quelle sprudelt, die von den Einheimischen auch als Badestelle genutzt wird.

Wir finden bunte Sandsteine, aus denen man Farben herstellt, vor allem finden wir eine paradiesische Ruhe, die uns für die Anstrengungen der Fahrt aufs Schönste entschädigt. Im Dorf nehmen wir anschließend noch eine kleine Mahlzeit, auch wenn die Hitze den Hunger weitgehend verdrängt hat. Ich fühle mich etwas matt, habe leichten Durchfall, versuche aber nicht weiter darüber nachzudenken.

Eine Hochzeitsgesellschaft zieht mit Trommeln die Straße entlang. Man lädt uns ein ihr zu folgen. Wir lehnen höflich ab, weil wir spüren, dass wir rasch zum Mittelpunkt werden würden; heute geht das noch etwas über unsere Kräfte. Als es dann schon dunkel ist, sitzen wir in einem Teehaus und geraten ins Erzählen. Diese Nacht verbringen Karin und ich nicht in einem Zimmer, sondern auf dem weichen und sogar federnden Dach des Casino Alpenblick.

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Autor: Remo Nemitz