Von Äthiopien nach Kenia über den Turkanasee



Der folgende Reisebericht wurde freundlicherweise von Kim und Tanja zur Verfügung gestellt. Ihr ausführlicher Reisebericht ist zu finden unter: http://www.hinter-dem-horizont.net/

Inhalt:
 
 

Mai 2007
Nicht von dieser Welt - Von Äthiopien nach Kenia über die grüne Grenze und entlang des Turkanasees
Die Grenze zwischen Äthiopien und Kenia zieht sich über hunderte von Kilometern vom Sudan in Westen bis nach Somalia im Osten. Über weite Strecken führt sie - mit dem Lineal gezogen - durch endlose Wüstengebiete.
Es gibt nur einen offiziellen Grenzübergang zwischen den beiden Ländern. Der Grenzort heißt Moyale und ist von Addis Abeba auf einer gut ausgebauten Teerstraße problemlos und zügig zu erreichen. Die Probleme beginnen auf der anderen Seite: Die Piste von Moyale nach Isiolo gilt als mörderisch - wir kennen einen Motorradfahrer, der sich dort bei einem Sturz das Schlüsselbein gebrochen hat und viele Autofahrer berichten über schwere Schäden am Fahrzeug. Zudem ist die Gegend berüchtigt für Überfälle marodierender Banden, bei denen es schon häufig Tote gegeben hat.

Eine - zudem dem Vernehmen nach auch landschaftlich sehr viel reizvollere - Alternative ist die Ausreise über eine Piste im äußersten Südwesten Äthiopiens. Diese Region ist bekannt als das Lower Omo Valley und Heimat einer Vielzahl unterschiedlicher Völker, die allesamt noch sehr traditionell leben, und trotzdem - anders als die Reiseliteratur glauben machen will - relativ gut erschlossen. Auch nur einigermaßen zuverlässige Karten gibt es allerdings nicht (wir haben eine sehr exakte erstellt, weil wir fast alle Pisten in der Region befahren und den Pistenverlauf mit GPS aufgezeichnet haben!) - Entfernungsangaben scheinen auf groben Schätzungen zu beruhen, eingezeichnete Ortschaften existieren längst nicht mehr oder haben schon vor Jahrzehnten ihren Namen geändert und eine Brücke, die angeblich den Omo überspannt, ist offenbar der Fantasie eines gelangweilten Zeichners eines bekannten französischen Kartenverlags entsprungen. Auf kenianischer Seite verliert sich dann alles im Dunkeln: Unser Reiseführer für Kenia, immerhin über 1000 eng bedruckte Seiten stark, gibt offen zu, die Gegend nur vom Hörensagen zu kennen, empfiehlt allerdings, nur „mit mindestens zwei Fahrzeugen, ortskundigem Führer und sehr, sehr vielen Lebensmitteln, Wasser und vor allem Treibstoffvorräten“ In diese Gegend zu reisen (Hartmut Fiebig in "Kenia", RKH – Verlag 2004).

Das klingt interessant. Wir fahren Awasa, etwa 270 km südlich von Addis Abeba und campen dort auf dem Gelände eines deutsch - äthiopischen Ehepaars. Die Adresse wird unter Afrikafahrern als Geheimtipp gehandelt und so hoffen wir, dort einen Reisegefährten zu finden oder zumindest nähere Informationen zu erhalten. Wir stehen ein paar Tage dort - schließlich muss auch der letzte Post aufbereitet werden - und lassen uns aufs Feinste bekochen, potentielle Mitfahrer lassen sich aber leider nicht blicken. Immerhin aber gibt es hier ein Gästebuch, in dem einige wenige Fahrer von ihren Erlebnissen berichten und so basteln wir aus den hier und im Internet verfügbaren Informationen eine Kartenskizze zusammen und erfahren auch, dass der jetzt seit etwa einem Monat immer wieder auftretende Regen zu einem echten Problem werden kann: Eine belgische Familie, die die Strecke im Dezember 2006 befahren hat, warnt eindringlich: neun Tage war die Gruppe im nördlichen Kenia nahe der Grenze zu Äthiopien festgesessen, weil die zahlreichen Flussdurchfahrten aufgrund des Regens nicht zu bewältigen waren.


Awasa – Yavello - Konso

Wir lassen uns nicht entmutigen - schließlich fahren wir einen Toyota Landcruiser und sind expeditionstauglich ausgerüstet - und brechen eines schönen Sonntag morgens Richtung Süden auf (wir wählen die Strecke über Yavello, weil wir die andere mögliche Route über Shashemene, Soddo und Arba Minch vorher schon befahren haben). Unterwegs regnete es in Strömen, auf der meist in ordentlichem Zustand befindlichen Asphaltstraße kommen wir trotzdem gut voran und erreichen am Abend Yavello. Von hier führt eine Piste nach Westen über Konso und Weyto ins Lower Omo Valley. Im Ort hören wir, eine der Brücken auf der Strecke sei durch eine Flutwelle zerstört worden und der Weg mithin nicht passierbar. Natürlich findet sich sofort ein Führer, der uns über eine Piste, die auf keiner Karte eingezeichnet ist, nach Konso dirigieren will. Die Ausweichroute bedeutet aber einen Umweg von mindestens 150 km und so entscheiden wir uns - auch in Anbetracht der Tatsache, dass sich in Yavello die letzte sichere Tankstelle für die nächsten etwa 1000 km befindet - unser Glück zu versuchen und fahren los - ohne Führer. Auf festem Untergrund geht es zügig voran, gut eine halbe Stunde. Dann das Ende: Ein riesiges Loch klafft in der Fahrbahn. Etwa 10 m Straße fehlen einfach. Am Grund des Lochs Reste von Röhren, die die Fluten kanalisieren sollten. Vergeblich. Die Urgewalten der Natur hatten der menschlichen Ingenieurskunst ihre Grenzen aufgezeigt.
 
Einige Leute schultern ihre Habseligkeiten und balancieren sie durch die neu entstandene Schlucht - für Fahrzeuge ist kein Durchkommen. Wir folgen einem offenbar ortskundigen Fahrer in die Büsche. Über Stock und Stein, durch sandige Flussbetten, über schlammige Felder und durch Hinterhöfe findet der eine Umfahrung - und wir lernen: in Afrika gibt es immer einen Weg! Die restlichen 70 km stellen an einen guten Geländewagen keine weiteren wesentlichen Anforderungen und so erreichen wir um die Mittagszeit Konso.
 
Autor: Remo Nemitz