Das Volk der Tuareg



Tuareg

Die Tuareg dürften wohl das bekannteste unter den Völkern der Sahara sein. Die geheimnisvolle Verschleierung der Gesichter der Männer fiel bereits frühesten europäischen Reisenden auf. Ausserdem trug ihre Bewaffnung mit langen Schwertern und Schildern sowie die weißen Reitkamele stark zu ihrem Ruf als "Ritter der Wüste" bei, ein Ruhm, den nicht zuletzt auch die ersten, meist kriegerischen Begegnungen mit den europäischen Kolonialtruppen gegen Ende des vorigen Jahrhunderts begründeten.

Die Vorfahren der Tuareg sind berberische Libyer, die ursprünglich zwischen der großen Syrte, dem Fezzan und dem Ostufer des Nil lebten. Als sie im 7. Jahrhundert von Muslims vertrieben wurden, breiteten sie sich zunächst in der zentralen Sahara aus, wobei sie das Wüstenvolk der Tubbu in das Tibestigebirge abdrängten. Nach dem Untergang des Songhaireichs im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg zunehmend auch in die Sahelzone ein und besiegten später Timbuktu und das Sultanat Aïr.
 
Die Tuareg-Sprache wird Tamaschek genannt. Sie gehört zu den Berbersprachen und weist eine eigene Schrift auf, das Tifinagh, die allerdings nicht für die alltägliche Kommunikation genutzt wird. In der Vergangenheit war die Kenntnis des Tifinagh auf die Adelsschicht der Tuareg beschränkt, wo sie den Kindern von ihren Müttern bzw. den alten Frauen gelehrt wurde.

Ihr heutiger Name Tuareg, den ihnen die Araber gaben, leitet sich von dem Wort Targa her, der alten Bezeichnung für die libysche Oasenregion des Fezzan.
Die Tuareg selber bezeichnen sich nicht als Tuareg, sondern als Kel Tamasheq/Kel Tamajaq (Tamasheq-Sprecher), Kel Tagelmust (Schleiermänner) oder Imuhaq/Imuschaq ("die Freien"). Von Aussenstehenden werden sie oft auch Das blaue Volk genannt, da Tuareg ihre Kleidung mit Indigo blau färben.
 
Die ersten Tuareg breiteten sich im ersten Jahrtausend v.Chr. in der Sahara aus und drangen von dort weiter südlich in die Sahelzone. Im 19. Jahrhundert eroberten sie auch Gebiete im Süden des Flusses Niger. Die wichtigsten Ursprungsgebiete der Tuareg sind die Berggländer des Hoggar und des Tassili. im Adrar der Iforas gründeten sie im Mittelalter die Stadt Tadmekka, auch die Stadt Timbuktu geht auf eine Siedlung zurück, die von Tuareg gegründet wurde. Heute leben 90 % der rund eine Million Tuareg in der nördlichen Sahelzone im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Algerien, Niger, Libyen, Mauretanien, Burkina Faso und Nigeria zwischen Timbuktu und Agadez. Bedeutende Gruppen sind die Asben (Kel Air) im gleichnamigen Gebirge, die Ullimiden im nigrischen Sahel, die Ifora im Bergland des Adrar der Iforas, die Kel Antessar in der Umgebung von Timbuktu sowie die Kel-es-Souk und Udalen südlich des Niger.
In der jüngeren Vergangenheit kam es immer wieder zu Aufständen der Tuareg, die sich von den verschiedenen Regierungen dabei behindert fühlen, eine traditionelle nomadische Lebensweise zu führen.

Anthropologisch repräsentieren die Tuareg ziemlich rein den saharisch-berberischen Typus. Auch linguistisch zeigt sich deutlich die Abstammung der Adelskasten von den alten Sahara-Berbern. In dem Wort Amazigh ("Adliger") ist die gleiche Wortwurzel MZG enthalten wie in alten römischen Bezeichnungen (Maxitani, Maxyer, Makäer).

Tuareg TimbuktuDie Tuareg sind zum grössten Teil Muslime und nomadische Viehzüchter, daneben gibt es traditionell noch Schmiede, Kamelzüchter und Karawanenführer. Allerdings löst sich diese traditionelle Gesellschaftsaufteilung zunehmend auf.
Traditionell besitzen die Tuareg wie die Mauren eine hierarchisch-feudale Gesellschaftsstruktur, die sich auf die absolute Macht des berberisch-hellhäutigen Adels über die Abhängigen und die schwarzen Sklaven gründet. Die Adelsschicht (Imazighen), die sich früher mit dem Kriegshandwerk befasste, und die Korangelehrten (Ineslemen) bilden mit den zugeordneten Vasallen (Imrad), den Viehzüchtern und Kriegsgehilfen, die eigentlichen Tuareg. Darunter stehen die dunkelhäutigen abhängigen Bauern (Iklan), die in den Oasen und im südlichen Sahel Ackerbau für den Lebensunterhalt der Herrenkasten betreiben. Sie werden von den Tuareg verachtet, sind aber als Arbeitskräfte in den adligen Familien unabkömmlich. Die ebenfalls dunkelhäutigen Angehörigen der Schmiedekaste, die Enaden, nehmen wegen ihrer Bedeutung als Waffenschmiede eine besondere Stellung in der Tuareg-Gesellschaft ein. Sie stehen ausserhalb der Gesellschaft und wurden in der Vergangenheit aufgrund ihrer scheinbar magischen Fähigkeiten sogar gefürchtet.

Die Tuareg sind das klassische nomadische Viehzüchtervolk der Sahara und der südlich angrenzenden Savannen. Die meisten Nomadenfamilien wandern mit ihren Vieherden nur in einem kleinen Radius um die Lagerplätze, einige wenige ziehen aber noch wie vor Jahrhunderten mit den Kamel-Karawanen von den saharischen Salzlagerstätten wie Amadror, Bilma (Niger) und Taoudeni (Mali) 800 km weit zu den Märkten im Sahel, um dort Steinsalz gegen Hirse zu tauschen. Die als Adlige Beschäftigung angesehene Kamelzucht bildet die Grundlage der Viehaltung bei den saharischen Stämmen, die im südlichen Sahel lebenden Gruppen halten dagegen in großer Zahl Ziegen, Schafe und Rinder. Die Nahrung der Nomaden besteht aus Milch, Milchprodukten (Butter, Dickmilch) und Getreide, das die abhängigen Bauern liefern müssen. Die Sammelwirtschaft (Gräsersamen) stellt für viele Familien besonders in Dürrezeiten eine wichtige Ergänzung der Ernährung dar. Früher, als die Steppen noch wildreicher waren, jagte man auch Antilopen, Gazellen und Strauße.

Die nomadischen Tuareg leben in mobilen Zelten. In der Sahelzone werden die Mattenzelte aus Palmwedeln gebaut. In der Sahara werden Lederzelte, die aus 30 bis 40 Schaf- und Ziegenfellen bestehen, genutzt. Beim Zeltaufbau wird zuerst die Bogenkonstruktion aufgerichtet, dann die Möbel platziert und abschließend Dach und Seitenwände bespannt. Viele Tuareg leben bereits in Städten, da das Leben hier im Vergleich zur Wüste als moderner gilt. Zum Teil lassen Tuareg sich an Oasen nieder, gründen eigene Siedlungen und betreiben Ackerbau.

Die Tuareg müsssen immer noch um das Recht kämpfen, von ihren jeweiligen Landesregierungen als freies Volk anerkannt zu werden und ihren Tradition folgen zu dürfen. Im 19. Jahrhundert kam es in der Sahara immer wieder zu Konflikten mit der französischen Kolonialmacht bis 1917 ein Friedensvertrag geschlossen wurde. Nachdem sich Frankreich als Kolonialmacht aus Westafrika zurückzog, wurde das Gebiet der Tuareg zwischen Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, kleinere Siedlungsgebiete der Tuareg wurden weiteren Sahara- und Sahelstaaten zugeteilt. Von 1990 bis 1995 kam es in Mali und Niger aufgrund von Unterdrückung der Tuareg zu Rebellionen der Nomaden. Ein auch im Westen bekannt gewordener Führer des Tuareg-Aufstandes war Mano Dayak. Die Aufstände führten Mitte der 1990er Jahre zu Friedensverträgen. Seit 2007 gibt es eine neue Tuareg-Rebellengruppe Mouvement des Nigériens pour la Justice, die einen Anteil des Gewinns aus dem Uranabbau in Niger fordert.

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Autor: Remo Nemitz